In mehreren deutschen Städten wird derzeit eine neue Technik zur Kriminalitätsbekämpfung eingeführt: Das sogenannte predictive policing. Mit Hilfe von Computerprogrammen will die Polizei Verbrechen vorhersehen und verhindern. Das Programm precobs beispielsweise berechnet auf der Grundlage von Polizeidaten die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten drei bis sieben Tagen in bestimmten Straßenzügen eingebrochen wird. Markiert das Programm eine Gegend rot, verstärkt die Polizei dort ihre Präsenz. In einem Fernsehinterview erklärt ein Polizist die Strategie stolz für erfolgreich: Da alles friedlich geblieben ist, freut er sich, die Einbrecher abgeschreckt zu haben.
Auch die Medizin setzt auf die Berechenbarkeit von morgen: Ziel zahlreicher biomedizinischer Forschungsprojekte ist es, Krankheiten vorherzusagen und sie zu verhindern, bevor sie auftreten. Die sogenannten Volkskrankheiten werden das Gesundheitssystem in Zukunft noch stärker belasten, so zum Beispiel die Prognose des Großprojekts „Nationale Kohorte“. Da Prävention „kostengünstiger“ sei als die kurative Medizin, sollen „effektive Strategien für die Prävention chronischer Krankheiten“ entwickelt werden. Vielversprechend scheint den Projektverantwortlichen – und den Geldgebern – die Herangehensweise, die auch das predictive policing charakterisiert: Eine riesige Datensammlung mit Hilfe statistischer Analysemethoden zu durchforsten, um Korrelationen und Muster festzustellen.
Es ist zu erwarten, dass die statistische Analyse dieses Datenmeers neue Korrelationen zwischen biologischen Markern, Lebensgewohnheiten und verschiedenen Gesundheitszuständen produziert. Doch: Was wissen wir dann? Und: Was folgt daraus?
Wer mehr zum Thema “Vorhersagende Medikalisierung? Big Data in der Medizin” lesen möchte: Vorausberechnen statt verstehen (GID 229, April 2015, hier auch als pdf).